Träume

Ebenfalls hier hatte ich versucht ein gewisses Zeitlimit nicht zu überschreiten, wodurch alles etwas gestaucht wirkt….

Schweißgebadet wachte er auf. Wieder einer dieser Träume. Er hatte sie nun schon einmal die Woche. Jedes Mal wenn er wieder aufrecht im Bett saß, die Laken zerwühlt und feucht von schierer Anstrengung, die der Traum anscheinend mit sich brachte, wollte er hinausschreien: „Warum nur ich?“
Vor einem Jahr begann es, der erste Traum. Eine  junge Frau, stand auf einer Brücke. Die Brücke kannte er , sie führte zum Nachbarort über den Fluss. Alt und von Flechten überwuchert thronte sie nicht nur in seinen Träumen majestätisch über  die reißerischen Stromschnellen. Felsen ragten immer mal wieder aus dem Wasser heraus, als wollten sie sich mit der Strömung  messen. So stand die junge Frau mit der zierlichen Gestalt  Nächtens auf diesem Thron und sah traurig in die Fluten. Ihr langes rotes Haar umwehte ihr  blasses, schlankes Gesicht. Nur die Sommersprossen gaben ihrem traurigen Gesicht eine gewisse Keckheit. Währen ihre silbrig glänzenden Tränen die Wangen herunter liefen kletterte sie mit entschlossenem Blick über das Geländer. Ihre Bewegungen waren ruhig, keine Spur von Angst. Henry schrie, er schrie in den Traum hinein und schrie, während er sich auf  seinen Laken wälzte.
Als er aufwachte verblasste der Traum nicht, wie es sonst für Träume üblich war, sondern lag ihm kristallklar vor Augen. Er wachte in dem Moment auf, als sie ihre Hand von dem Geländer, der letzten Bastion Leben nahm und in die bodenlose Schwärze fiel.
An Schlaf konnte Henry nicht mehr denken. Die ganze Zeit sah er ihr Gesicht vor seinem geistigen Auge. Er saß in seiner Küche und trank frisch gebrühten Kaffee, als er zu der Entscheidung kam am nächstem Morgen zur Brücke zu fahren und sich mal umzusehen, nur um diesen Traum aus seinem Kopf zu verbannen. Zufrieden mit sich selber legte er sich auf die Couch um dort noch ein wenig Erholung durch einen Dämmerzustand zu erlangen.
Nachdem Henry blinzelnd wach wurde, stellte er nach einem Blick auf die Uhr fest, dass er 3 Stunden geschlafen hatte. Das Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge wieder auf, die Augen schienen ihn anzuflehen, ihr zu helfen. So versuchte er die Erinnerungen des Traumes abzuschütteln  bei einer Katzenwäsche und einer Tasse Kaffee.

Der Tacho seines alten Ford Sierra zeigte stolze 90km/h an, doch Henry bemerkte gar nicht wie schnell er fuhr, denn irgendetwas zog  ihn an, wie eine Kraft die ihn an diesem Ort wissen wollte. Als er ankam hastete er zu der Stelle und Stolpertete mehr, als er lief. Als er das Geländer der Brücke berührte durchfuhren ihn die Erinnerungen wie ein Blitz. Er sah alles aus den Augen der Frau. Wie sie über die Brüstung stieg, wie sie sprang. Und doch war etwas falsch, nur konnte er es nicht benennen. Irgendwas fühlte sich nicht richtig an. Als er sich umsah, erschöpft von der Nacht und den überwältigenden Erlebnis, welcher er hatte, entdeckte er etwas. Ein schimmernden Ohrring, denselben den die Frau im Traum trug. Wie konnte dies sein, fragte Henry sich immer und immer wieder. Er war geschockt, konnte oder wollte vielleicht nicht an die Möglichkeit glauben, dass sein Traum wahr wurde. Die Meldung in den Nachrichten zerstörte diese stille Hoffnung gänzlich. Ihr Bild erschien in den Fernsehern und weder Familie noch Freunde konnten verstehen warum diese lebensfrohe Frau tot aus dem Fluss geborgen wurde. In den Nächten darauf schlief Henry sehr schlecht, als der nächste Traum  ihn heimsuchte. Ein leicht untersetzter Mann mit beginnender Glatze ging über die Straße, als ein Transporter auf ihn zueilte. Es ging alles sehr schnell und der Mann litt nicht lang, aber Henry litt in seinem Bett Höllenqualen. Er wollte dem Mann eine Hand reichen, die Blicke trafen sich und Henry sah das Flehen und  sah, wie  eine  pummeligen Hand nach ihm ausgestreckt wurde bevor der Mann starb.

Und wieder schrie Henry, schrie in seinem Bett bis er  aufwachte. Am nächsten Morgen schaltete er den Fernseher ein, als plötzlich ein Bericht über einen Verkehrsunfall sich  breit machte. Der Bankier Allen Rimborn geriet vor einen Transporter. Überwachungskameras vor der Bank zeichneten den Unfall auf und so wurde Henry Zeuge davon, wie Allen die pummelige Hand nach irgendetwas ausstreckte. Eine Gänsehaut überzog seine Arme und ihm wurde flau im Magen. Desweiteren konnte sich keiner erklären warum Hr. Rimborn einfach auf der Straße stehen blieb. Es war sein 25.er Hochzeitstag gewesen und er hatte seiner Frau ein Collier gekauft, welcher noch in seiner Tasche gefunden wurde.
Henry lief ins Bad um sich zu übergeben.
Nach den zwei Vorfällen blieb er 3 Wochen lang verschont, aber dann träumte er erneut. ein kleines Kind welches in einem Krankenbett lag, angeschlossen an unzähligen Apparaten, die ständig piepten. Das schmale Wesen hatte keine Haare, so war es unmöglich zu sagen, ob es ein Mädchen oder Junge war. Henry stiegen  Tränen in die Augen, die daheim sein Kissen benetzten. Plötzlich schlug es die Augen auf, welche angefüllt waren mit so viel Güte und einer Reife, die den meisten Erwachsenen fehlte. Kraftlos versuchte es eine Hand in die Höhe zu heben, eine Träne rollte aus seinem Augenwinkel. Durch die Atemmaske hörte Henry ihn  sagen: „Wer bist du?“ Henry drehte sich in seinem Traum um, aber da stand niemand. Er zeigte auf sich selber und das Kind nickte. Auf einmal piepsten die Apparate unkontrolliert und das Kind wurde von Krämpfen geschüttelt. Schaum lief ihm aus dem Mund und die Augen begannen zu bluten. Es starb vor seinen Augen, ebenso wie die anderen beiden zuvor und alle Zukünftigen.

Nun war ein Jahr vergangen, soviel Tode gesehen und erlebt. Henry schien um Jahre gealtert zu sein, sein Gesicht war zerfurcht, seine Haare wurden bereits grau und sein Stoppelbart gab ihm das Gesicht eines Obdachlosen. Immer öfter griff er nun zur Flasche um sich zu betäuben. Er fühlte sich verantwortlich, er fühlte sich als Mörder. Er träumte von Menschen die starben, aber sie starben, weil sie ihn tatsächlich wahrnahmen. Hände wurden nach im ausgestreckt, Blicke flehten ihn an sie am Leben zu lassen. Warum passierte ihm das nur, wieso musste er zusehen? Warum mussten die Menschen sterben, nur weil er sie sah?
Bereits  acht Mal versuchte er sich  das Leben zu nehmen, jedoch immer ging irgendetwas schief. Der Abzug klemmte, das Seil riss, die Tabletten erzeugen eine Übelkeit, dass er davon erbrach… Es war als wollte etwas nicht dass er starb, sondern dass er leidete  und dabei weitere Menschen mitnahm.

Als er diese Nacht sich schlafen legte  nahm er den  Spiegel von der Wand und legte ihn mit ins Bett in der stillen Hoffnung sich selbst im Traum zu sehen.

Pinks

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Meine Worte sollen euch unter die Haut gehen, euch mitfühlen lassen, als ob ihr dabei seid. Ich möchte euch fangen und euch in einen Strudel aus Selbstzweifel und Irrsinn der menschlichen Phsyche ziehen. Wenn es mir gelingt, so last mir doch ein Wörtchen oder eine Bewertung da.... ;-) und wenn jemand Kontakt zu mir wünscht : BloodyAngel@f4y-media.de
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