Die ist mal ein Versuch etwas Längeres zu schreiben.Kritik ist gern erwünscht.
Die innere Kälte machte sich wieder einmal breit. Diese endlose Leere die einen im ganzen verschlingt,
Seltsam immer wenn ich mich in dieses Loch fallen ließ, ging mir das Schreiben von der Hand. Ich tauchte ein in den Fluss einer negativen Gedanken und ließ mich fortreißen. Es hatte etwas magisches Ansicht, also ob aller Schmerz, jede Wut aus mir herausfließt um diese Worte auf Papier zu formen. So authentisch das man die Emotionen beinah anfassen konnte.
Ich hätte nie gedacht zu was es noch alles in der Lage war.
Mein Katalysator war und ist weiterhin das Schreiben. Zumeist düstere Dinge oder Mystisches. Gefallene Engel die durch ein Meer von Blut waten das Richtschwert in der einen , den Mistelzweig in der anderen Hand.
Meine größte Schwäche? Die Recherche! Ich recherchiere nicht, ich versuche nicht so nah an die Realität heranzukommen. Ich berichte über Dinge die in meiner Phantasiewelt sich zutragen. Die in meinem Kopf passieren. In einer Welt in der Blumen sprechen und Schweine fliegen.
Bisher waren es immer nur Geschichten. Der Oger der den Kopf des Gefährten als Trophäe in Händen hält. Der Werwolf, der seine grässliche Verwandlung in Vollmondnächten vollzieht.
Doch seit dem Film die unendliche Geschichte weiß man das Worte mehr Macht haben.
Ich für mich weiß nicht ob es gut war alle diese kitschigen Sachen zu schreiben? Aber ich kann nicht damit aufhören. Es ist ein Zwang, die Monstrositäten wollen heraus aus meinem Kopf und das schaffen sie auch.
Ich gebe ihnen Gestalt und Seele. Den Auftrag zum Töten allerdings, den suchen sie sich selber.
Dies alles hört sich wie ein Geständnis an oder eine Entschuldigung. Vielleicht ist es das auch, vielleicht ist es aber auch nur der kümmerliche Versuch, mein Gewissen zu erleichtern….
Kapitel 1
Der Sommer brach herein, und es war ein herrlicher Tag. Und das obwohl ich morgens noch die Scheiben meines alten Toyota Starlet noch von Eis befreien musste. So langsam gewöhnte man sich daran, dass das Klima sich änderte und somit die Temperaturen binnen 2 Tagen um 20 °C steigen konnten. Frank und Josselyn waren extra gekommen um mit uns zu Grillen. Mein Bruder deckte schon den Tisch während ich Josselyn half ihren Platz einzunehmen. „ Ich bin zwar blind aber nicht dumm.“ maulte sie und ich kam mir jedes Mal dabei so deplatziert vor. Sie gehörte zu meinen engsten Freunden und ich hätte längst wissen müssen, dass sie sich auch in ihrer eigenen Dunkelheit gut zurechtfand. Dennoch konnte ich den Drang nicht abschütteln helfen zu wollen.
Mein Bruder Alain hatte mich für ein paar Tage zu sich eingeladen. Seine Frau hatte ihn erst kürzlich verlassen und war mit den Kindern zu ihrer Mutter gezogen. Er brauchte nicht viel sagen: Das Haus scheint so leer. Und schon hatte ich meine Sachen gepackt und war eingezogen. Wir hielten schon als Kinder zusammen wie Pech und Schwefel, warum sollte es nun anders sein? Ich leistete ihm Gesellschaft und ich konnte meine kleine Wohnung mal für ein paar Tage den Rücken kehren. Schreiben konnte ich auch hier. Ich arbeitete in einer Fabrik und nebenbei versuchte ich es mal mit Geschichten. Früher sagte man mir ich hätte ein wenig Talent. Wahrscheinlich war das nur Schmeichelei, aber ich versuchte es trotzdem.
Die Steaks rochen köstlich und brutzelten vor sich hin, zur selben Zeit richtete ich schon mal den Salat an. Josselyn musste natürlich abschmecken, dieses Recht ließ sie sich nie nehmen. Frank und Alain standen am Grill und redeten über Sport, wie es nur Männer tun konnten. Es ist wie eine Schlacht der Jahreszahlen und der Statistiken.Spielernamen fallen selten meist nur Rückennnummern, zumindest in den Teamsportarten. Es war ein einfacher Nachmittag, wenn man die Bedeutung des Wortes einfach so verstehen mag. Hätte ich es doch nur geahnt.
Die Fleischberge türmten sich, weil Alain viel zu viel zubereitet hatte, jedoch bereitete es ihm immer ein riesiges Vergnügen uns alle zu mästen, so dass wir ihn nie deswegen kritisierten. Wir spürten seine Freunde an diesen Kleinigkeiten und genossen es. Denn als Christine ihn verließ nahm sie ein Stück seiner Lebensfreude mit, die nur spärlich zurück kehrte.
Wir lachten viel an diesem Nachmittag und Josie gab ihr bestes ihre Dunkelheit zur Belustigung einzusetzen, indem sie Stevie Wonder imitierte. Sie war einmalig, ein Mensch der so vor Witz und Elan sprühte und dennoch sofort merkte wie es ihrem Gegenüber grad erging. Als würde sie wiedergeben, was man tief im Innern versucht zu verstecken. Zudem hatte sie auch ein richtiges Schandmaul entwickelt und sprach eben jene empfindliche Themen gnadenlos an. Wenn wir mal bei einem Glas Wein beisammen saßen witzelte ich schon mal mit ihr, warum sie sich nicht mal als Lügendetektor versucht. Sie würde ganz groß rauskommen und viel Geld machen. Daraufhin bekam ist stets dieselbe Antwort: „Ich bin was ich bin, aber bestimmt keine Zirkusattraktion die ungeliebten Ehefrauen sagen muss, dass ihre Männer es sich woanders herholen!“ Danach kicherten wir stets und malten uns aus wie so eine Situation aussehen würde. In der Phantasie findet man viele Dinge komisch, nur heute sehe ich es anders.
Aus meinen Gedanken wurde ich abrupt gerissen als Alain mich in die Seite knuffte mit den liebevollen Worten: „Hey Schwesterherz, waren wir mal wieder im Land der Träume wandern?!Deine Augen waren so glasig, dass ich schon dachte diesmal kommst du nicht zurück!“
War ich solange weggetreten? Ich verfalle hin und wieder in Tagträumen, lasse mich von ihnen wegtragen an einen Ort an dem alles Möglich ist, mein eigenes Refugium, mein Rückzugsort, welcher nur mir allein gehört. Hier hauche ich allem Leben ein, was ich möchte oder lasse es ebenso schnell wieder sterben. Ich bin hier schon auf dem Rücken eines majestätischen Drachens geritten, ebenso wie ich auch so manch erotisches Abenteuer hier hatte. Wenn ich träume das ich auf weichem Moos liege und die Sterne in einem rabenschwarzem Himmel beobachte, dann erscheinen Sternschnuppen, die wie silberne Streifen den Himmel durchziehen. Eine funkelnde Spur bleibt als Erinnerung zurück, als wolle sie den Schönheit des Augenblicks noch einmal betonen.
Jedoch saß ich hier mit den liebsten Menschen die ich hatte und wollte bei ihnen sein und nicht meinen sehnsüchtigen Träumereien nachhängen. Also versuchte ich alles abzuschütteln, was mich von der realen Welt zu trennen versuchte und konzentrierte mich auf dass was wirklich wahr war.
Und die Realität sah so aus, dass wir einen schönen Abend in Alains Garten verbrachten und einen Haufen gegrilltes Fleisch vor uns hatten. Das wir Dinge von früher erzählten und darüber lachten.
So verging der Tag in vertrauter Gemeinsamkeit, natürlich wurde auch so das ein oder andere Glas Bier getrunken. Nur Josselyn meinte trocken, sie dürfte nix trinken, denn sie müsse heute fahren. Den Schluck den ich zu dem Zeitpunkt gerade herunterschlucken wollte kam prustend heraus und ich sah nur wie das Bier sich wie eine Nebelfontäne ausbreitete und das Lachen welches sich einen Weg über meine Kehle bahnte schien endlos zu sein.
War es das letze Mal, dass ich so von Herzen gelacht hatte? Ich weiß es wirklich nicht mehr.
Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich die Schatten wirklich sah. Es war als wäre etwas in den Augenwinkeln zu sehen, jedoch scheinen einem die Sinne einen Streich gespielt zu haben. Ich kann noch nicht mal sagen wann es anfing. War ich noch klein als ich diese Schatten unbemerkt in meinen Augenwinkeln aufflackerten? Oder denke ich nur dass es so war?! Es scheint nun mehr als wäre alles künstlich, als würde man zwei-Dimensional leben. Was hatte ich doch für ein Glück, so leben zu dürfen. Doch wie in der Geschichte von Alice und dem Wunderland hatte ich auch mein weißes Kaninchen welches meine Aufmerksamkeit immer und wieder erbeutete. Doch war ich bisher noch nicht soweit daran zu glauben und dem Kaninchen ins Wunderland zu folgen. Ich fiel in das Loch an einen anderen Tag.
Kapitel 2
Ich schreckte hoch und versuchte mich zu orientieren. Ich lag in meinem Bett und Schweiß bedeckte meinen Körper. Durch das geöffnete Fenster wehte eine leichte Brise, welche mir eine Gänsehaut auf den Rücken zauberte. Mein Herz schlug wild und kräftig, als wollte es mir berichten, warum mein Körper sich sosehr mit Adrenalin gefüllt hatte. Ich musste geträumt haben. Albträume gehörten zu mir wie meine Phantasie. Wahrscheinlich war sogar meine Phantasie die Mutter meiner Träume. Jedoch was auch immer sie für Monstrositäten in den Nächten konstruierte, so verblasste die Erinnerung daran nach dem Erwachen oft zu schnell. Jedoch dieses Mal waren alle Bilder noch so klar und erhalten. So greifbar wie diese Realität. Ich sah es, nein ich spürte noch die Aura des Wesens auf meiner Haut. Ein Zittern durchfuhr meinen ganzen Körper und ich konnte mich nicht dagegen wehren, dass auf einmal die Galle meinen Magen erklomm, um die Reise nach oben anzutreten. Aufspringen und zur Toilette laufen schoss es mir in den Kopf aber die Rebellion meines Magens war schneller und so ergoss sich ein Brei aus halbverdautem Fleisch und Rotwein, der durch den Verdauungsprozess sauer geworden zu sein schien. Eine Bitternis legte sich über meine Zunge und Gaumen. Zumindest war der Boden gefliest und die Reinigung einfach, doch bevor ich zitternd versuchte auf die Knie zu kommen, erfasste mich eine zweite Welle und nachdem ich nach mehrfachem Würgen und Husten aufstand, liefen mir die Tränen über die Wangen. Tränen der Anstrengung, dachte ich so bei mir.
Angeekelt von dem Bild und dem Geruch, was sich mir bot (Hatte ich wirklich rote Beete gegessen?) hielt ich mich beim Aufstehen an der Bettkante fest, zu derer ich kniend mich entleert hatte. Was war denn los mit mir? Ich wischte mir den Mund mit meinem Pyjamaärmel ab und schlenderte vorsichtig ins Bad. Während dessen zog ich mir mein Oberteil aus um es gleich der Schmutzwäsche zuzuführen.
Das Bad war zweckmäßig eingerichtet. Hier gab es keine plüschigen Überzieher für den Toilettensitz, wofür ich sehr dankbar bin. Ich hatte noch nie viel für solchen Schnickschnack übrig. Zudem war dies immer noch das Haus von Alain und dieser wohnte ja nun allein mit der Ausnahme meiner Wenigkeit. Mein Blick fiel auf seinen Bademantel den ich mir als Ersatz für mein Oberteil überzog um dann durch das Haus zu stromern und verzweifelt nach einen Eimer und einen Mob zu suchen. Ich suchte zuerst die Besenkammer auf und fand auch gleich was mein Herz begehrte. Bewaffnet mit besagten Utensilien schlich ich auf Zehenspitzen zur Treppe die zum Obergeschoss führte und wo mein Zimmer lag und ebenso meine Hinterlassenschaft. Ich verfluchte mich selbst als ich vor dieser widerlichen, stinkenden Lache stand und merkte dass ich überhaupt nicht daran gedacht hatte Wasser in den Eimer zu füllen. So kehrte ich wieder um, nur dieses Mal hatte ich den Eimer als Begleiter gewählt. Diffuses Licht leuchtete schwach aus dem Bad, die Treppe herauf. Hatte ich das Licht vergessen auszuschalten? Aufgewühlt von solch einer Nacht, ist man sicher durcheinander, jedoch war ich mir sicher es ausgeschaltet zu haben. Die Tür war nur ein Spaltbreit offen und spendete spärliches Licht. Diese Art von Licht, die einen alle möglichen Dinge erkennen lässt.
Als Kind lag ich während eines Gewitters oft wach und schaute den Schattenspielen zu, die ihr Unwesen am meiner Zimmerdecke trieben. Zu den Schatten die die Formen von Monstern, Geistern und anderen Monstern annahmen, fiel mir prompt immer eine Geschichte ein. Eine Marotte die ich mir erhielt. Aber dennoch war nun nicht die richtige Zeit sich seiner Kindlichkeit zu ergeben, sondern einen Fußboden zu reinigen. Plötzlich huschte ein Schatten an dem Spalt vorbei. Mein Herz machte einen Satz und ich erschrak in mich hinein. Eine Gabe, obwohl mein Herz mir Anzeichen einer Panik gab, indem es mit mir davon galoppieren wollte, blieb ich mucksmäuschen still. Absolut geräuschlos und wie angewurzelt stand ich da, den Eimer an die Brust gedrückt, in welcher ein Dampfhammer pulsierte und horchte. Kein Geräusch drang auf den Flur, vielleicht hatte ich mich geirrt und mein Verstand spielte mir Streiche. Vorsichtig streckte ich meinen rechten Arm aus um mit meinem zitternden Finger die Tür weiter aufzuschieben. Mit der linken Hand presse ich weiterhin den Eimer wie ein Schutzschild vor mich. Den Teil des Bades, welchen ich durch den immer größer werden Spalt einsehen konnte war leer. Wand, Waschtisch, Dusche, Wanne und Toilette auf der …..ich saß! Ich blinzelte, schickte ein Stoßgebet zum Himmel und sah nur das Bad, wie ich es nach meinem ersten Besuch verlassen hatte. Aber ich hatte mich doch selber gesehen, jedoch war dieses Bild grauenhaft entstellt. Das was ich dort meinte gesehen zu haben, war ein aschfahles Wesen mit blutunterlaufenden Augen. Strähniges Haar, welches wirr an ihr herabhing. Dieser ausdruckslose Blick hatte sich in meine Erinnerungen gebrannt, als wollten diese Augen mich Ewig so ansehen. Als ich die meinen schloss war es als würden mich die Ihren sofort anstarren. Schlagartig öffnete ich meine Augen wieder. Details überschwemmten mein Gedächtnis. Ein verdrecktes, einst weißes Nachthemd trug sie. Es sah aus als ob sie ihre blutigen Finger irgendwann daran abgewischt hatte. Die rostbraune Farbe verbarg sich nur zum Teil unter den vergilbten und schwarzen Flecken. Die weiße Gesichtshaut wirkte wie eine spröde alte Porzellan-Maske, die so zerbrechlich war, das ein Windhauch sie zerstören hätte können. Feine Linien durchzogen das Gesicht, welches zugleich auch das meine war. Das ging zu weit, es war mein Gesicht, so starr und unbewegt und so kalt. Eine Puppe die kindlich aussah und dabei uralt war. Schlief ich noch, hätt ich mich nur zwicken müssen? Diese und ähnliche Gedanken kreisten um meinen verwirrten und ängstlichen Verstand. Vielleicht war ich einfach zu lange in meinen Phantasiewelten geblieben und sah nur die Gespenster meiner selbst. Nach einem weiteren Augenblick, der mir vorkam als wären es Jahrzehnte, bewegten sich meine Beine in die Richtung die mir wiederstrebte. Als würde mein Körper automatisch funktionieren, konnte ich mir selber zusehen wie ich den Eimer in die Dusche stellte um lauwarmes Wasser einzufüllen. Obwohl ein Schauder nach dem anderem mich durchfuhr, tat meine sterbliche Hülle wofür ich eigens herkam.
Das Wasser rauschte, als es in den Eimer lief. Und durch das Putzmittel bildete sich eine Schaumkrone, die jedoch nicht die Bilder aus meinem Kopf verbannen konnte. Ich atmete langsam ein und aus um meinen Herzschlag zu beruhigen. Zu mir selbst sagte ich mir, dass mir meine Phantasie einen Streich gespielt hat. Wie ein Gebet wiederholte ich die Worte und es funktionierte tatsächlich. Ich fing an mich wohler zu fühlen. Was leider nur soweit anhielt, bis ich mit dem Mob mein Erbrochenes endlich aufwischte. Bei dem saurem Geruch bäumte sich tief in mir wieder etwas auf, doch diesmal behielt ich die Oberhand.
Kapitel 3
Irgendetwas kitzelte meine Nase und langsam öffneten sich meine Augen. Als ich schlaftrunken zu der Armbanduhr griff die auf dem Nachtisch lag, konnte ich erst die römischen Zahlen gar nicht richtig erkennen. Doch mein Blick klärte sich und nach und nach drang die Information zu meinem Gehirn durch, dass es schon 14.10 Uhr war. Zuerst erschrak etwas in mir und schrie: „Du hast verschlafen und dein Chef wird dich zur Schnecke machen!!“ So sprang ich förmlich in meine Hosen und noch während des Zähneputzens meine Socke überzustreifen. Es muss ein lustiger Anblick gewesen sein wie ich mit einer Hand kämpfend die Socke versuchte überzuziehen, während die andere mit der Zahnbürste in meinem Mund herumfuchtelte. Jedoch schaffte ich es halbwegs angezogen in die Küche mit zerzausten Haaren. Alain saß am Tisch und las vergnügt Zeitung, doch als er mich sah wurden die Augen feucht und ein Grunzen gefolgt von einem tiefem Lacher folgte.
„ Was hast du denn gemacht? Du siehst ja zum fürchten aus! Erbärmliches Wesen, du.“
„Alain, ich kann gar nicht darüber lachen, ich habe verschlafen und anscheinend hat der Herr es ja nicht nötig mich mal zu wecken! Und nun entschuldige, ich habe keine Zeit um mir deine Gemeinheiten an den Kopf werfen zu lassen!“
Ich griff nach meinen Autoschlüsseln, da hörte ich Alains sanfte Stimme hinter mir her säuseln:“ Na dann viel Spaß, aber seit wann musst du auch sonntags arbeiten?“
Sonntag? Es war Sonntag?! Wie konnte ich nur verdrängt haben, dass Sonntag war. Alle Befürchtungen fielen von mir ab und ich glaubte ein wenig in mich zusammenzusacken. Die Hektik war auf einmal wie weggeblasen und ich atmete tief durch. Also tat ich das einzige was mir einfiel, so zerrupft ich auch aussehen mochte. Ich versetzte Alain einen Knuff in die Seite und schubste ihn auf der Eckbank weiter. So konnte ich mich hinsetzten und antwortete kokett: „ Das wusste ich, ich wollte dich nur testen und sehen ob du es wusstest.“So neckten wir uns noch ein wenig, bis Alain aufstand um mir einen Kaffee zu machen. Er witzelte so wie ich aussehe, traue er mir nicht zu dies allein zu erledigen. In diesem Moment war ich sehr dankbar ihn wieder so zu sehen. So frech und schlagfertig, als wäre die Trennung von seiner Frau nie passiert.
Am liebsten wäre ich aufgestanden und hatte ihn weiter geknufft, doch ich genoss diesen Augenblick zu sehr. Den Menschen den ich so sehr liebte und der so verletzt wurde, stand an der Kaffeemaschine in einem Sonnenstrahl der durch das Fenster schien. In dem Sonnenlicht tanzten Staubkörnchen und man konnte die Wärme regelrecht auf der Haut spüren. Sein Lächeln ließ alle Sorgen dahin schmelzen und tauchte die Szenerie in etwas wirklich Schönes. So saß ich dort am Tisch, die Ellbogen auf diesen und das Gesicht in die Hände gestützt. Dies war ebenfalls eine meiner Angewohnheiten aus Kindertagen, als ich noch 2 Zöpfe und einen karierten Rock mit weißer Bluse trug. Wenn ich im Sitzen in meinen Strudel aus Gedanken verfiel, stützte ich immer den Kopf in meine Hände. Ich bekam oft zu hören, daß es mir das Aussehen eines rebellischen Görs verlieh. Es fehlte mir lediglich an Sommersprossen die meine Zöpfe bestimmt unterstrichen hätten. Aber diese Zeiten langen lange hinter mir und auch das Gefühl allein mit meinem Bruder zu sein und sich wie ein Kind zu fühlen änderte nichts daran, dass ich es eben nicht mehr war.
Auf einmal schien alles plötzlich so still und regungslos. Ich sah meinen Bruder schon so lange an, wie er da stand und ich merkte wie es mir kalt wurde. Die Finger wurden leicht taub und die Zeit stand still. Alain bewegte sich gar nicht im Schein der Sonne, selbst die Staubkörner standen still. Was war das? Was geschah um mich herum, warum bewegte Alain sich nicht?
„Alain? Alles in Ordnung?“Doch die Antwort blieb aus. Das Licht wirkte auf einmal fahl und dumpf. Jeglicher Glanz und Wärme verschwand und wurden durch eine Trostlosigkeit ersetzt, die in das eigene Innere drang. Ich wusste nicht wo ich war, denn dies war niemals der Platz, an dem ich mit Alain zusammen gesessen hatte. Ein Zittern zog sich an meinen Körper empor und doch konnte ich einer aufsteigenden Panik noch entgegenstehen. Ich versuchte alles was ich sah zu erfassen und doch war mir der Ort den meine Augen mir zeigten so vertraut. Ich kannte die Einzelheiten schon zu gut, so dass mein Gehirn nicht die Notwendigkeit sah, alles zu scannen. Es war eben jene Küche mit der granitfarbenen Arbeitsplatte und der guten Kaffemaschine, die ich Alain zu einem Geburtstag geschenkt hatte. Die Brotbox stand offen, wie so oft in den vergangenen Tagen, denn ich vergaß oft sie zu schließen. Das weiße Geschirr, welches mit schwarzen Blumenranken dekoriert war, stand zum Abwasch bereit. Der Korkenzieher lag unter dem Apothekerschränkchen, als müsste man die Aspirin lieber in der Nähe wissen. Jede Farbe wurde von einer Art Grau verschlungen, welches sich blütenartig ausbreitete. Und es kam immer weiter auf mich zu, wucherte die Wände entlang. Als es mich fast erreichte, fing ich an zu schreien. Ich schrie und schrie. In dem Moment fasste mich etwas kräftig am Arm. Ich zuckte und erschrak, mein Herz hämmerte in mir und alle Muskeln waren angespannt. Ich öffnete meine Augen und sah Alain , wie er mir den Kaffeebecher reichen wollte und mich mit der anderen Hand am Arm fasste. „Hey Sis, du schaust abwesend aus, alles klar bei dir? Du wirst doch nicht krank, so blass wie du aussiehst. Vergiss es, ich pfleg dich nicht.“Mit diesen Worten lächelte er mich frech an und drehte sich wieder der Maschine zu, um sich selber ebenfalls noch einen Kaffee zuzubereiten. Was passierte hier nur mit mir, hämmerte es in meinem Kopf. Doch ich beschloss mir nichts anmerken zu lassen und schob alles auf imaginäre Kopfschmerzen.
Scheinbar kam die Lüge glaubwürdiger rüber, als ich dachte, denn er nestelte sogleich an der Verpackung der Aspirin, die eben in jenem Apothekerschränkchen lagerten unter dem der Korkenzieher noch lag. Um den Schein zu wahren nahm ich sie ein. Wer weiß wozu dieses Zeug noch alles helfen würde, dachte ich bei mir. Vielleicht ja auch gegen meinen beginnenden Irrsinn.
Nachts sind alle Katzen grau, so sagt man hier und es stimmt nicht, denn sie sind schwarz. Schwarz und geschmeidig tapsen sie ihren Weg lautlos entlang. Sie sind verdammt gute Jäger. Wie sooft hing ich meinen Gedanken nach und immer wieder überlagerte eine Stimme alles. Eine strenge, ermahnende Stimme die mir so unendlich bekannt war und doch kann man sie nicht sofort identifizieren. Egal in welchen Welten ich auch abtauchte, immer wieder erschien diese Stimme und sagte streng: Verliere dich nicht! Suche deinen Halt, deinen Anker!
Wie poetisch, ich sollte mir einen Anker suchen. Ein Symbol um etwas zu halten, zu fixieren. Viele Menschen hatten so etwas bereits früh gefunden. Ich nicht, ich trieb im Alltag verloren herum wie ein Stück Treibholz auf hoher See. Kein Hobby hielt mich lang genug gefangen und dadurch in dieser Welt. Ich konnte nicht Zeichnen oder Singen, mein Können was Musikinstrumente betraf hielt sich auch weit in Grenzen. Kein Mathematik-Genie schlummerte in mir oder gar ein Sportler. Mir blieben eben nur meine Träumereien. Und wozu sind Träumereien gut, wenn man sie nicht aufschreibt und sie verpuffen lässt, in den Regionen des Vergessens des Eigenen Selbst? Und doch ermahnte ich mich selbst zum wiederholten Male zurückzukehren, die Sphären der sorglosen Gedanken zu verlassen und meinem Bruder die Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdiente. Wer hätte ahnen können wie dünn die Grenzen gesät sind, die der harten Welt zum anfassen, von der meinen Unberührbaren.
Ich zuckte zusammen, als Alain mir das Glas Wasser auf den Tisch vor mich stellte. Seine Augen waren rehbraun und voller Sorge um mich.“ Ist wirklich alles ok?“Ich nickte vielleicht etwas zu heftig, so dass er mir meine Lüge anmerkte. Aber wie es unter Geschwistern üblich ist akzeptierte er es und nahm es wortlos hin. Ich hatte so unendliches Glück, diesen Menschen meinen Bruder nennen zu können, der er war warmherzig und einfach echt. Dieser Schlag Mensch ist seltener geworden in der heutigen Zeit. Viele verstecken sich hinter Masken und Konstrukten aus Geschichten. Alain war wie er war, keine Geschichte peppte seinen Lebenshintergrund auf und er verstellte sich kein bisschen.
„Was schaust du mich so an und lächelst dabei so schief?“ fragte er mich.Ich konterte auf die Schnelle: „ Nun ja, ich dachte an unsere Kindheit, als du noch starke Akne hattest.“Dabei streckte ich ihm die Zunge heraus. Er lachte laut auf und es war gut so.
Als der Kaffee ausgetrunken war spülte ich freiwillig ab. Eigentlich mochte ich es nie, wenn meine Hände wurden schnell schrumpelig und fühlten sich seltsam an. Als wären sie aus Papier und könnten schnell zerreißen, jedoch brauchte ich etwas Normalität. Wenn man so in das Spülwasser schaut bemerkt man erst einmal was da alles herumschwimmt. Eingeweichte Brötchenkrümel neben Brombeerkerne von Marmeladenresten. Jeh mehr man spült desto dunkler wird die Farbe des Wassers, egal wie viel Spülmittel man beigefügt hat. Was sollte ich mit diesem Sonntag noch anfangen? Der Tag war schon weit fortgeschritten, bedachte man wann ich erst aufgestanden war. Eigentlich wollte ich mich hinsetzen und die Dinge die mir passiert waren schriftlich verarbeiten, aber mir fiel nichts ein. Ich fühlte mich irgendwie leer und wie immer gab es da nur eine Lösung: Josselyn. Ich rief sie an und wir verabredeten uns für einen Spaziergang um einen See, der in der Nähe lag. Ihr kam es gut zupass, denn Igor ihr Blindenhund brauchte noch seinen Spaziergang. So fuhr ich zu ihr um sie abzuholen. Die 13 Kilometer, die sie entfernt wohnte zogen sich in die Länge, so dass ich auf der Fahrt immer wieder mal dachte die Straße wäre aus einem zähem Material, welches sich in die Länge zog. Doch mein kleines Auto war eigentlich sehr flott unterwegs.
Immer wieder musste ich an dieses zerbrechliche Porzellan-Gesicht denken, welches eigentlich mein eigenes war. Wie diese Augen mich anstarrten so unendlich kalt und schwarz. Als würde man in einen Abgrund schauen. Doch ich musste diese Bilder abschütteln, denn ich wollte Josselyn nicht mit meinen Halluzinationen belasten. Also schaute ich mir die blühenden Bäume an und stellte das Radio meines Wagens lauter. Aus den kleinen Boxen schrebbelte von Fiddlers Green-Victor and his Demons und ich musste einfach laut mitsingen. Ein Lied welches gleich gute Laune verspricht. Ich fuhr an ein paar Mädchen vorbei die Seilsprangen, dabei sangen und einfach Kinder waren. Kaum zu glauben, dass so etwas Banales wie das Seilspringen so zeitlos war. Es war etwas aus jeder Generation und wird auch bei zukünftigen Kindern Anklang finden. Und genauso war es gut. Eines der Mädchen schaute über die Schulter, so dass sie in meine Richtung sah. Für einen winzig flüchtigen Moment hätte ich schwören können, dass ich das Porzellan-Gesicht sah. Aber als ich blinzelte, war dort nur das kleine Mädchen. Es schien als lächelte sie mich schief an und ich fror auf einmal. Als ich das Schild lesen konnte auf dem stand, dass die verkehrsberuhigte Zone endete, trat das Gas durch. Ich wollte nur weg von den Kindern.
Kapitel 4
Das Glitzern des Wassers beruhigte mich innerlich. Während Josie und ich am See entlang spazierten konnte ich meinen Blick kaum von der Wasseroberfläche nehmen.“ Es gibt drei Dinge die der Mensch unendlich lange beobachten kann, nicht war mein Herz?“ seufzte Josselyn plötzlich. Aus sämtlichen Gedanken gerissen stotterte ich:“ W-w-wie meinen? „
„Na, du starrst doch aufs Wasser, oder? Und der Mensch kann nun mal drei Dinge im Leben unendlich lang beobachten: Das Wasser in jeder Form zum Beispiel einen Springbrunnen, einen See oder sogar das Meer. Das zweite ist Feuer und das dritte sind andere Menschen beim arbeiten.“ Dabei lachte sie ihr herzhaftes Lachen und zwinkerte mir zu. Genau dieses Lachen steckte einen so sehr an. Ich grinste bereits über beide Wangen ohne dass es mir bewusst war. Ich liebte sie wirklich für so viele Dinge und in diesem Moment tat sie mir gut und dies wusste Josselyn auch.“ Willst du dich bei mir einhaken el Blindo? Dann kann Igor ein wenig laufen gehen.“ Und schon nestelte sie ihren Arm um meinen und tastete behutsam nach Igors Geschirr um ihn daraus zu befreien.“Igor, dadane!“ Wer hatte sich dieses Wort bloß ausgedacht, kicherte in mich hinein. Dies war ein Befehl, dass Hund einfach mal Hund sein durfte. Igor konnte sich austoben an diesen herrlichen Nachmittag und ich wurde von meiner Freundin abgelenkt. Es war ein gutes Gefühl nicht mehr meinen Albträumen hinterher zuhängen.“Was ist eigentlich mit dir los?“ Fragte sie gleich unverblümt.“Ich weiß nicht was du meinst, Josie.““Ach komm, ich bin blind aber nicht gefühlstaub, ich spüre doch, dass da etwas nicht stimmt.“Du hast wahrscheinlich recht wie so oft, dennoch wüsste ich nicht wie ich anfangen soll, ob ich überhaupt etwas sagen sollte. Josie, ich glaube ich verliere den Verstand. Und ich will nicht das gerade du über mich denkst das ich gaga bin.“ Josie musterte mich mit ihren gebliebenen 5 Sinnen und antwortete ganz in Josselyn-Manier: „ Das musst du ja wohl mich selber entscheiden lassen, mein Herz! Außerdem wissen wir beide das du , wie sagtest du so schön: total gaga bist“ Ich musste so breit grinsen, dass ich wie ein absoluter Vollidiot ausgesehen haben musste. Ich dachte mir noch, dass ich grad neben einer beeindruckenden Persönlichkeit herlaufe und dabei aussehe wie ein dümmlicher Einfaltspinsel. Aber irgendwie hatte sie recht. Ich war schon immer etwas sonderbar gewesen, ich fand Dinge schön die andere als garstig betrachteten.
Ein trauernder Friedhofsengel, der über ein Grab wacht. Seine Schwingen schützend ausgebreitet über die Reste des Zeugnisses der menschlichen Existenz. Sein Blick ist fast traurig nach unten gerichtet, so daß man meinen könnte, daß jeden Moment Tränen aus den steinernen Augen treten und die mit Moos bewachsenen Wangen herunterlaufen. Sein fein gegliederter Körper und sein prächtiges Federkleid in Stein gehauen und für die Ewigkeit gedacht. So steht er dort der Vergänglichkeit trotzend und doch nagt auch an ihm der Zahn der Zeit. Solche Dinge waren faszinierend und ich liebte Dinge die so viel zu erzählen hatten und dies nur durch ihre Anwesenheit.
„Naja Josie, ich würde gerne mit dir darüber reden, jedoch nicht jetzt. Bitte gib mir Zeit mich zu ordnen. Vielleicht erledigt sich ja auch alles von allein und ich stecke einfach nur in einer menstruierenden Krise. Auch wenn du es dir denken kannst Josielein, aber ich zwinkere. Vielleicht sollten wir gleich den Hund zurückholen ansonsten springt er noch ins Wasser und wir müssen ihn wieder trocknen.“So verging der Tag an dem ich hätte reden können. Aber hin und wieder haben wir eine Blockade, eine innerliche Sperre, die uns davon abhält das Richtige zu tun. So lassen wir die Chancen verstreichen und leiden still und für uns allein. Ich ließ diese Möglichkeit ziehen, ich weiß nicht ob ich es getan hätte mit dem Wissen was noch auf mich zu kam.
Wahrscheinlich hätte ich es nicht getan, denn ich wollte sie nicht mit so einem Unsinn belasten. Ein Irrsinn der aus mir selbst zu kommen scheint.
Josselyn pfiff Igor herbei und leinte ihn wieder in sein Blindenhilfsgestell. Ich spürte einen Kloß im Hals, als ich dies sah, konnte mir aber auch nicht erklären woher dieser kam. Vielleicht, weil ich es einfach nicht geschafft hatte mit dem einzigen Menschen, mit dem es möglich war über alles zu reden. Es ist ein Gefühl der Hilflosigkeit, als würde man seine Hand auf einen Spiegel legen um so zu versuchen die Person im Spiegel zu erreichen. Doch man greift an die kalte Spiegelfläche und es gibt keine wärmende Berührung.
Der Tag verstrich ebenso wie der Teil meines Lebens. Jedoch wusste ich nicht, wie sehr ich mir diesen Augenblick mit Josie zurückwünschen würde.
Wenn ich zurückblicke sehe ich in einen Abgrund, der so düster ist und droht alles zu verschlingen, was in meinem Leben jemals eine Rolle gespielt hatte. Hatte ich ein Leben? Hatte ich Freunde? Wahrscheinlich war dem einmal so, aber in einer Welt die die meine absorbiert hatte, die so unwirklich war, gab es nur Einsamkeit und meinen Willen zu überleben.
Kapitel 5
Ich lochte meine Karte in der Stechuhr um meine Schicht anzutreten. Ich hatte nur Frühschichten, was mir sehr zupass kam, denn so ließ sich ein Leben besser planen. Obwohl die Eintönigkeit meiner Tätigkeit mich versumpfen ließ. Aber wie sagte man immer so schön? Solange am Monatsende das Geld auf dem Konto war, kann einem sein Schicksal ja egal sein. Dennoch quälte ich mich durch diesen Tag am Fließband. Ich sah immer wieder dieses Gesicht, welches ich durch den Türspalt erspäht hatte. Aber es konnte nicht sein, es war schließlich nur eine Einbildung. Die Teile ratterten übers Fließband und ich sah schon fast nicht mehr hin bis etwas meine Aufmerksamkeit an sich band. Etwas dunkelrotes stolperte mit den Teilen, die wohl irgendwann einmal in einem Auto verbaut werden sollten, mit. Ich griff danach und als es meine Handfläche berührte wurde die Welt schlagartig still.